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Kryogene Stapelung von Atomgittern ermöglicht topologische Supraleitung bei hohen Temperaturen

Neue Studie in der Zeitschrift Science veröffentlicht.

Normalerweise sind quantenmechanische Effekte nur bei sehr kleinen Objekten wie Atomen nachweisbar. Supraleitung ist ein seltenes Phänomen, bei dem elektrische Ströme ohne Widerstandsverluste in Form von Wärme möglich sind. Dies birgt ein enormes Potenzial, das von der Stromübertragung bis zur Quanteninformatik reicht. Allerdings werden diese Materialien erst bei kryogenen Temperaturen von einigen Grad über dem absoluten Nullpunkt zu Supraleitern, was für die Anwendung ein entscheidender Nachteil ist.

Die vor Jahrzehnten entdeckten Hochtemperatur-Cuprat-Supraleiter haben die etablierte Physik auf den Kopf gestellt, indem sie Supraleitfähigkeit bei bisher unerreichten Temperaturen, die denen von flüssigem Stickstoff nahekommen, nachgewiesen haben. Ihre einzigartige Leitfähigkeit stellt herkömmliche Theorien in Frage, da sie Elektrizität ohne Widerstand leiten. Diese Materialien sind komplex und zeigen ein Geflecht kollektiver Verhaltensweisen von Elektronen, die sich einfachen Erklärungen entziehen. Auf der Suche nach neuen Quantenphasen in Cupraten, experimentierten die Forschenden mit der Verdrehung von Schichten dieser Materialien.

Die Erhaltung der komplizierten elektronischen und strukturellen Eigenschaften bei gleichzeitigem Versuch, neue Phasen zu erschließen, ist ein heikler Balanceakt und erfordert höchste Präzision.

Die Komplexität der Cuprate lässt sich anhand von Eiswaffeln veranschaulichen: Die Sauerstoffatome, die dem Material Supraleitfähigkeit verleihen, sind in das Kristallgitter eingefroren wie viele Schokoladensplitter. Gleichzeitig verleiht das Kristallgitter, wie das quadratische Gitter der Waffel, der Supraleitung einen gerichteten Charakter. Wird das Eis auf Raumtemperatur erwärmt oder auch nur vorübergehend mit Wasser in Berührung gebracht, bleibt nur ein matschiges Durcheinander zurück.

In der kürzlich in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Arbeit stellt ein internationales Team von Wissenschaftlern, darunter die leitenden Autoren Philip Kim (Harvard University) und Nicola Poccia vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung, eine bedeutende Errungenschaft vor: die Schaffung einer sauberen Grenzfläche zwischen verdrehten Cuprat-Supraleitern. Mithilfe einer einzigartigen kryogenen Kristallmanipulationsmethode, die unter Luftabschluss durchgeführt wurde, haben die Forscher einen Hochtemperatur-Cuprat-Supraleiterkristall, der nur etwa ein Tausendstel so dick ist wie ein menschliches Haar, fein säuberlich aufgespalten - ähnlich wie die Scheiben, auf denen unser oben beschriebenes Eis liegt. Die Wissenschaftler stapelten die beiden Exemplare mit einem exakten Verdrehungswinkel bei unter -90°Celsius in ultrareinem Argon übereinander, wobei das zerbrechliche Kristallgitter mit dem Sauerstoff an Ort und Stelle und so auch die empfindliche Grenzflächensupraleitung erhalten blieb.

Interessanterweise entdeckten die Wissenschaftler bei diesen Experimenten, dass entgegen der gängigen Theorie ein winziger, verlustfreier elektrischer Strom zwischen den beiden Kristallen bei einem Verdrehungswinkel von 45° nachgewiesen werden konnte. Dieser winzige Strom wird durch die Bewegung von Elektronen erzeugt, die durch ein so genanntes Cooper-Paar beschrieben wird, wie es normalerweise in Supraleitern vorkommt. Man muss sich das wie ein Elektronenduo vorstellen, das sich zusammenschließt und sich auf ganz besondere Weise bewegt, wenn das Material sehr kalt wird. Anders als erwartet, entdeckten die Forschenden das Co-Tunneln von nicht nur einem, sondern von zwei dieser Cooper-Paare.

Dieser Strom, bei dem zwei Cooper-Paare gemeinsam getunnelt werden, unterbricht die Zeitumkehrsymmetrie. Zur Vereinfachung kann man sich diese Cooper-Paare wie Figuren in einem rückwärts abgespielten Video vorstellen, in dem ihre Handlungen die typische Abfolge von Ursache und Wirkung, die wir kennen, durchbrechen. Die Wissenschaftler beobachteten, dass die Cooper-Paare die Schnittstelle in einer Richtung durchtunneln können, aber nicht umgekehrt. Und dieses Phänomen zeigte sich nun auch bei viel höheren als den üblichen kalten Temperaturen.

Diese Arbeit ist Ausgangspunkt für die weitere Erforschung topologischer Phasen, die für die Quanteninformatik so vielversprechend sind. Die Bestätigung dieser Zustände erfordert weitere komplizierte Experimente. Die Ergebnisse können potenzielle Lösungen bei der Implementierung von Quantencomputern bieten, indem sie beispielsweise die Kohärenzzeiten für topologisch geschützte Zustände verlängern.

Originalpublikation: S. Y. Frank Zhao et al. ,Time-reversal symmetry breaking superconductivity between twisted cuprate superconductors. Science, eabl8371
https://www.science.org/doi/abs/10.1126/science.abl837

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Nicola Poccia
n.poccia[at]ifw-dresden.de
+49 (0)351 4659 527

Pressekontakt:
Patricia Bäuchler
p.baeuchler[at]ifw-dresden.de
+(49) 351 4659 249

Eiscreme erklärt Nanotechnologie: Die Sauerstoffatome, die dem Material Supraleitfähigkeit verleihen, sind in die Struktur eingefroren wie Schokoladenstücke in der Eiscreme. Das Kristallgitter, in diesem Fall die strukturierte äußere Waffel, verleihen der Supraleitung einen gerichteten Charakter. [...] Bild: IFW Dresden

[...] Wird das Eis erwärmt, bleibt nur strukturloser Matsch zurück. Bild: IFW Dresden